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Geschrieben 09-25-2024, 08:45 PM by: Fips
Eine
Fassade, lag es ihm noch im Ohr. Vielleicht setzte es sich sogar für einige Zeit in seiner Gedankenwelt fest, als die Schritte hinter ihm längst verstummt waren, das Knistern des Schlafsackes verebbt und das hölzerne Knacken des Feuers das einzige, beständige Geräusch war, das er neben ihren entfernten, regelmäßiger werdenden Atemzügen noch vernahm. Es entlockte ihm ein leichtes Verziehen der Lippen zu etwas wie einem milden Lächeln, da er so darüber nachdachte. Es war gut, dass sie das dachte. Es war nur allzu menschlich. Menschlich, jedes Verhalten auch mit menschlichem zu analysieren, zu vergleichen, ja sogar erklären zu wollen. Vielleicht mochte sie sogar Recht haben. In Teilen. Vielleicht war es so, wie sie sagte. Doch wovor fürchtete er sich? Was mochte es geben, das ihm tatsächlich Angst einjagen würde? Der endgültige Tod sollte es nicht sein. Nicht bisher. Nicht einmal die Aussicht darauf, dass er den Bogen irgendwann einmal würde überspannen können. Dass zu schauen, was passieren würde, tatsächlich in dem eigenen Ende resultierte. Schon mehr als nur einmal hatte er sogar angenommen, dass es das gewesen sein mochte. Dass er das Schicksal ausgereizt hatte, am Ende verspielt. Am Ende.. am Ende jedoch war es nie so gekommen. Bis heute. Hatte es ihn geängstigt? Nein, niemals. Nie.
War es Verlustangst?
Im Grunde konnte Charles nicht von sich behaupten, vieles zu besitzen. Das, was er besaß, besaß er aus pragmatischen Gründen. Sicher, er hatte sehr viel Geld angehäuft. Weil es schlau und nur allzu sinnvoll war. Doch er besaß keinen eigenen, festen Wohnsitz, kein fulminantes Anwesen, nicht einmal einen begehbaren Kleiderschrank gefüllt mit imposanter Kleidung. Keine Immobilien, kein Haus, keine Hütte, kein Boot, kein Pferd. Er hatte sich nie ein eigenes Imperium geschaffen, in dem er regieren konnte, obwohl er doch in dieser Hinsicht selbst ein so seltenes Alphatier verkörperte. Weil ihm all das am Ende nicht nur lästig wäre, sondern mehr noch, ihn die Freiheit kosten würde, die er so liebte. Die Freiheit, zu tun und zu lassen, was er wollte, ob es denn nun bleiben oder gehen war. Hin und wieder überkam es ihn, dieser Anflug von Anpassungsfähigkeit, die er dem Bedürfnis seines Liebhabers, Partners und Herren, der Sesshaftigkeit alledem vorzog, unterordnete. Aber..
fürchtete er tatsächlich eines von diesen Dingen? Oder eben im Gegenteil, Verzicht zu üben? Eine Frage, deren Antwort nicht einmal der Vampir selbst zu bieten hatte. Und dennoch.. lächelte er. Weil sie ihn in einem Punkt so viel mehr zu verstehen glaubte, als er selbst es womöglich tat. Weil sie menschliche Gründe und Antworten zu suchen schien, über die er in dieser Intensität bisher nicht näher nachgedacht hatte. Weil es schlicht.. aus seinem eigenen Blickwinkel niemals notwendig war. Manchmal.. war es besser, Dinge nicht unnötig zu zerdenken. Sich stattdessen von Gefühlen und reiner Intuition leiten zu lassen. Seine Menschlichkeit mochte gestorben sein, doch Empfindungen waren da. Seine Seele war vielleicht verloren, doch sein Körper war nicht tot. Er fühlte. Doch fühlte er auch Angst?
Es war ein stechend markanter Geruch, der ihn aus all diesen Gedanken riss. Aus dem Gedankenspiel, das am Ende vielleicht doch nicht einmal ein richtiges war. Und doch war es eine Art Gedanken ordnen. Sortieren. Sich zu sortieren, ohne sich abgelenkt zu fühlen von dem Gefühl der unerbetenen Wärme und Nähe, wie dem Geruch jungen, frischen Blutes, ausgerechnet von dem Wesen ausgehend, das er doch schützen sollte. Nun war es ein ganz anderer Geruch, der seine Nase penetrierte, ihn aus dem Nichts heraus beleidigte. Der Blick des Vampires verdüsterte sich. Er kannte diesen Gestank nach altem, nassen Hund. Er würde ihn zu jeder Zeit locker aus hunderten von Gerüchen herausfiltern können, mühelos.
Werwölfe. Und sie steuerten geradewegs auf ihr Lager zu. Es würde wohl kaum Sinn machen, das Feuer nun verstecken zu wollen. Erstens nicht, weil es dafür ohnehin zu spät wäre. Zum Anderen, und das jedoch maßgeblicher, nicht, weil er es nicht einsah, sich vor dem Geruch von nassem, stinkenden Hund zu
verstecken. Mindestens einer dieser aggressiven Tölen suchte Ärger, indem er es wagte, in den kleinen Bereich ihres Lagers einzudringen und ihnen damit die Nacht zu verhageln? Oh bitte, sollte er am Ende sehen, was er davon hätte. In aller Seelenruhe, jedoch mit einem Schnauben, zog sich Charles sein Jackett von den Schultern, faltete es sorgfältig und legte es auf den Platz zurück, den eben noch er selbst so nachdenklich okkupiert hatte. Öffnete die Knöpfe der Hemdärmel, um sie zurück zu schlagen und schlich sich vom Feuer fort. Weniger, weil er fürchtete, der Feind könnte auf ihn aufmerksam werden, doch weitaus mehr hegte er Sorge, die Hexe im Zelt unweit hinter sich könnte andernfalls erwachen.
Es waren mehrere. Die auf ewig ergrauten Nackenhaare des Vampirs stellten sich auf. Es widerstrebte ihm, verschiedene Nuancen der Abscheulichkeit wahrzunehmen, in Geruch, Schritttempo hierher und schlussendlich sogar ohrenbetäubendem Geheul. Wie es ihm widerstrebte, sich hier auf offenem, unbekanntem Terrain zu befinden. So schnell ihn die Füße trugen, war er soeben in einen Sprint übergegangen, direkt auf die Quelle all dessen zu. Fort des Feuers - fort der Achillesferse, für die solch ein Aufeinandertreffen schnell zu einem endgültigen Ende führen würde. Es hatte nicht einmal einen Lidschlag lang gedauert, ehe sich die Finger des Unsterblichen zu langen Krallen formten, die scharfen Reißzähne aufblitzten und sich die dunklen Iriden zu blutrot leuchtenden Bällen formten – Romms – schon wurde er rittlings von den Füßen gerissen. Riesige Pranken bohrten sich in kaltes Fleisch. Bestialischer Gestank erst über, dann, den Schwung des Rucks nutzend, unter ihm. Kleidung riss. Knurren, Zischen, Gebrüll und Geheul erfüllte die Lichtung ohrenbetäubend. Krallen stoben durch dichtes, stinkendes Fell, rissen das Tier von den Füßen und schleuderten es fort. Reißende Haut zu hören, dunkles Blut spritzte, wütendes Knurren gegen Fauchen gegen abermaliges Geheul, als gleich zwei weitere Bestien hinzu stoben, angriffen, den Moment des Fortschleuderns nutzten, um den Eindringling in ihrem Terrain zu Fall und damit zu Boden zu bringen. Auf ihn einprügelten, während er sich mit Zähnen und Klauen wehrte. Ein raufender Ball aus drei Wesen entstand inmitten der Lichtung, aus dem blutüberströmtes Fell und Kleidungsfetzen stoben wie nichts als Staubflocken, während Blut dunkel auf das feuchtkalte Gras spritzte. Eine weitere, riesige, tierische Gestalt sprintete unheilvoll blaffend dazu, während sich das benommene, riesige Tier am Rande der Lichtung allmählich wieder regte.